Wer kennt das nicht? Man sehnt sich nach Veränderung, z. B. dass sich unsere Lebensweise oder ein Verhaltensmuster ändert, wir „bessere Menschen“ werden oder mehr nach unseren Vorstellungen leben. Gerade zum Jahreswechsel stehen für viele Menschen Neujahrsvorsätze hoch im Kurs. Manchmal ist es schwierig diese Ideale, die wir uns im Kopf zurechtgelegt haben, auch umzusetzen. Diese Konstrukte sind von unserer Denkweise klar nachvollziehbar, dennoch erscheint es uns ab und an unmöglich diese zu leben.
Hier in der Tauglerei begleiten wir unsere Kurgäste mit speziellen Behandlungen. Sie kommen mit dem Ziel zu uns, sich mit Massagen, ayurvedischer Ernährung und Körperarbeit zu entgiften oder sich einfach vom Alltagsstress zu befreien. Es ist spannend ihre Entwicklung immer wieder aufs Neue zu beobachten: bei vielen hat es den Nebeneffekt einer beiläufigen Veränderung. Sie kommen in unserer Erholungsstätte an, die im Ortskern ist, umgeben von Wäldern, Bergen, Wiesen – und ganz viel Ruhe. Soviel, dass sie in den ersten Tagen kaum erträglich ist. In dieser Anfangsphase wird die eigene Psyche mit sich selbst konfrontiert. Der Alltag rückt in den Hintergrund, fernab von Familie, Freunden, Kollegen und Hektik.
Plötzlich ist diese Leere da: Stille. Ruhe. Nur man selbst. Und jetzt? Die Langeweile macht sich breit. Keiner ist da, der einen unterhält. Viel zu viel Zeit und keine Verpflichtungen. Zum Glück steht der nächste Massagetermin an, endlich Interaktion. Danach Ruhe. Sauna. Wieder Ruhe. Schlaf… Ganz im eigenen Rhythmus. Der Körper bekommt den nötigen Raum, es lösen sich Verspannungen. Der Fokus kann sich jetzt auf das Innere richten. Es kommen alte Themen hoch, die noch nicht verdaut wurden. Diese dürfen sein. Jetzt steckt man mitten im Prozess auf körperlicher, emotionaler und mentaler Ebene. Körper und Geist nähern sich an, bis sie eins werden. Es stellt sich nicht mehr die Frage, was man mit seiner Zeit anfängt. Die Langeweile, die anfangs vorgeherrscht hat, ist verflogen.
Was ist passsiert? Die Psyche findet über die Körperarbeit zur Entspannung. Die Abhängigkeit vom Außen ist aufgelöst. Man identifiziert sich nicht mehr mit dem beruflichen Erfolg, dem Status oder seinen Habseligkeiten. Man findet zu seinen ganz eigenen inneren Werten. Manchmal blitzen noch die alten Gewohnheiten auf, wenn sich zum Beispiel ein Gast in unseren Zauberbergen verirrt, dadurch mehr Stunden als vorgesehen für einen Spaziergang benötigt. Die Gedanken melden, dass man es doch besser kann und sich sonst nicht verläuft. Der Körper holt den Kopf wieder ab, zeigt wie gut es ist sich auf etwas Neues und Unvorhersehbares einzulassen, dass alles so sein darf, wie es ist. Durch diese vollkommene Zufriedenheit können wertende Gedanken, wie kleine Wolken, vorbeiziehen.
Für uns ist diese Reise unserer Gäste jedes Mal eine tolle Erfahrung, wie auch bei unserem letzten Gast, der ganz spontan wieder zum eigenen Glauben gefunden hat. Ganz unerwartet, befreiend. Wir sind dankbar diesen Prozess mitzuerleben. Es kommt dieser eine magische Moment, wenn sich unsere Gäste und Einheimische an einen Tisch setzen: Jung und Alt sich über das Leben austauschen. Das ist alles möglich, in der Tauglerei.
Dann ist es an der Zeit, dass sich unser Gast verabschiedet mit den Worten „ ich brauche zu Hause nicht mehr als das, was ich in der Tauglerei hatte. Mit strahlenden Augen geht es zurück nach Hause. Dies nennen wir die Möglichkeit der beiläufigen Veränderung.
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