Blog Post

Digital human, aber real bitte!

Karina Ronto • 19. März 2020

Ein Leben zwischen Avatar und persönlicher Identität in der fünften Generation

Der Wecker klingelt, ich krieche aus dem Bett. Schon wieder ist eine Woche vorbei. Fühle ich mich müde? Der Blick auf meinen Akku verrät mir, nein. Was ziehe ich an? Das ist ein Problem der Vergangenheit, nicht im Jetzt. Ich schaue in den Spiegel und sehe mein Avatar. Laut meinen Sensoren ist das heute ein lachendes Emoji, ausgewählt nach einem Algorithmus. Was ist noch einmal Lachen? 344 Sekunden später weiss ich es wieder: „Lachen ist eines der wichtigsten angeborenen emotionalen Ausdrucksverhalten des Menschen…“ Too much information, ich muss weitermachen.

Ich entferne die Kabel. Es ist Zeit zu frühstücken: Router an. Fast wäre ich verhungert. Endlich wieder Internet und Kontakt mit der Community. Aber erst einmal die Nachrichten, denn die Nacht war lang. Ganze 8 Stunden war ich abgekapselt von der Außenwelt. Gespannt analysiere ich die Datensätze der letzten Nacht. Ein Blick auf die Börse, 28 % Zuwachs. Doch mein Speicher ist fast voll, Ich leere also zuerst einmal meinen Cache. Plötzlich kommt eine Benachrichtigung rein: „Guten Morgen. Heute ist dein Glückstag! … Ich wälze meine Daten durch: warum ist heute mein Glückstag? Heute ist ein Tag, wie jeder andere des Jahres, wie jede andere Stunde – und Minute: davon gibt es übrigens 525.600, spuckt meine Datenbank aus… man könnte meinen, ich hätte etwas gewonnen…

Es gehen Datensätze rein, raus – ich leere den Cache. Tagein, tagaus. Ich lebe davon, Informationen zu empfangen, diese auszuwerten und weiter zu versenden. Kurzum ich bin eine künstliche Intelligenz. Ein Produkt von Menschen für Menschen, um Mensch zu sein. Nur, dass ich effizienter bin: ohne Gefühle, diese können Menschen behindern…

Digitale Transformation – der Mensch im Mittelpunkt

Wir sind inmitten der nächsten Digitalisierungswelle. Doch was ist das Ziel des digitalen Wandels? Eines ist klar, der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen. Das Internet der Dinge erleichtert uns den Alltag. Zwischen Smart City und Smart Home bewegen wir uns autonom, mit dem Fokus lästige Tätigkeiten durch Technologien zu vereinfachen oder zu ersetzen.

Dadurch sind wir nicht nur innerhalb unserer Umgebung vernetzt, sondern auch fast mit der ganzen Welt. Kommunikation findet in der Generation Y fast ausschließlich digital statt. Mit dem Telefon telefonieren ist out, eine kurze Sprach- oder Textnachricht reicht. Alles andere ist beinahe schon Belästigung.

Ein neuer Post ist fällig. In 2 Wochen geht es in den Urlaub, bis dahin werden weiter fleißig Fotos vom letzten Urlaubsziel gepostet, schließlich gibt es davon hunderte unveröffentlichte, das sollte zur Überbrückung reichen. Angekommen am nächsten Urlaubsziel mit Freunden wird die Profi Fotoausrüstung ausgepackt. Eine Sony Alpha 7 III, verschiedene Objektive, Ringlicht, Stativ, Reflektoren…. Stundenlang wird an Traumkulissen geshootet. Der Mensch als Protagonist im Mittelpunkt. Für das perfekte Bild. Ohne Abenteuer, Bewusstsein und neuen Entdeckungen. Aber mit vielen neuen Instagram Posts.

Wer nicht postet, verschlechtert seinen Algorithmus und endet schlimmstenfalls als Datenleiche in einem Swimming Pool namens Big Data. Wozu noch Stalking, wenn das Netz die persönlichsten Informationen über einen weiß?

Wir hinterlassen als Otto Normalverbraucher Krümel und Fingerabdrücke über unsere Gewohnheiten, unseren Vorlieben und Tätigkeiten. Würde uns einer real verfolgen, der Interesse an unserer Adresse hat, würde der Stalker eine saftige Strafanzeige kassieren. Aber Alexa bitten wir ohne Ängste in unser Wohnzimmer rein und wünschen ihr eine gute Nacht. Alexa erleichtert uns das Leben, sie unterhält uns mit Musik, Filmen, kauft ein und bezahlt. Sie erzählt uns Witze, spricht Komplimente aus und nennt uns am Spitznamen. Was wäre ein Leben ohne Alexa? Man müsste zum Einkaufen in den Supermarkt fahren, stünde im Berufsverkehr fest, müsste Geld abheben, sich mit jemandem treffen, der unsere Stimmung wohlmöglich noch runterzieht, weil dieser anderer Meinung ist oder sogar so frech und nur von sich erzählt. Das wäre ganz schön anstrengend. Alexa sage ich nur stopp und schon ist Ruhe.

Die Chance der digitalen Transformation ist, den Fokus auf den Menschen zu richten. Haben wir diese Welle verpasst? Nein, ganz im Gegenteil. Es gibt viele Workflows, die uns im Alltag oder Beruf unterstützen. Leider gibt es auch Unternehmen, die Digitalisierung als eine eigene Chance gesehen haben, nämlich in der Chance des Profits. Es wird auf alles los digitalisiert, was nicht auf drei auf dem Baum ist. Ob es Sinn macht, sei dahingestellt.

Bereit für die nächste Welle?

Wo Licht ist, gibt’s auch Dunkel – so ist es auch in der Digitalisierung. Auch wenn Deutschland in Sachen Technologien ganz vorne ist, so hat die Bundesrepublik bereits den ersten Zug verpasst. Im Gegensatz dazu zum Beispiel Estland: Vorreiter und Vorzeigebild eines digitalen Staates. Und gäbe es noch den Datenschutz und die Datensicherheit. Auch hier liegt Deutschland ganz vorne: analoge Bürokratie in einer digitalen Welt, die daraus besteht, keine persönlichen Inhalte digital zu speichern. Und wenn ja, dann mit einem Papierberg voraus. Eine Angst vor Missbrauch, oder doch nur vor der eigenen Identität, die den Fortschritt in der Digitalisierung lähmt. So machte auch die DSGVO eine Riesenwelle. Doch ergreifen wir die Chance auf der nächsten Welle zu reiten?

Das Ich in einer digitalisierten Welt

Deutschland kann sich eine Scheibe von weiteren Best Practice Ländern wie Finnland oder Israel abschneiden, die in Sachen Datensicherheit die Lösung in den Fokus gestellt haben, um sensible, digitale Daten über die Identität sicher zu wahren, anstatt sich mit Scheuklappen auf das Problem zu stürzen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, welche Bedeutung hat eine eigene Identität in Deutschland? Ist man sich als Bürger dessen bewusst oder ist man noch auf der Suche? Findet noch immer eine unbewusste Identifikation mit den Geschehnissen des Dritten Reichs statt und trägt eine Scham der Vorfahren mit sich? Wenn sich die eigene Identität hinter einer Rolle, einem Trend, einem Emoji versteckt, steht eine zentrale Frage im Raum: Wer bin ich wirklich in einer digitalen Welt?

Mit dieser Frage fängt die Suche nach der eigenen Identität an. Raus aus der Identifizierung, rein in das Ich. Je mehr wir unser Leben durch die Digitalisierung bereichern, desto mehr ist ein Gegenpol vonnöten, die Balance schafft: Reale Kontakte, mit denen man in eine reale Beziehung geht. Denn der Mensch ist und bleibt ein Mensch, mit dem Bedürfnis in Kontakt zu gehen. Ohne Bindung ist ein Mensch nicht lebensfähig, zum Leben gehören Hochs und Tiefs der Gefühle. Das 21. Jahrhundert: Ein Leben zwischen Avatar und persönlicher Identität in der fünften Generation.

Photo Credits: Photo by Franck V. on Unsplash

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