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Wie Europas Langsamkeit zum Erfolgsfaktor bei der Künstlichen Intelligenz werden kann

Patrick Sellier • 26. November 2018

“AI made in Germany” nennt die Bundesregierung ihre Nationale Strategie für Künstliche Intelligenz, die sie am 15.11.2018 veröffentlicht hat.

Schwache statt starke KI

Weil die Bundesregierung erkannt hat, dass schwer zu definieren ist, was Künstliche Intelligenz (KI) überhaupt ist, legt sie fest, dass es bei der Strategie vor allem um eine eher technische sogenannte „schwache KI“ gehen soll, die konkrete Anwendungsprobleme löst. Diese Gewichtung überrascht nicht, weil auch in der Wirtschaft die Themen Digitalisierung und KI mehrheitlich als technische Probleme angesehen werden. Jedes Unternehmen, das sich ernsthaft mit den Themen beschäftigt, sieht sich allerdings vor allem vor kulturelle Herausforderungen gestellt, die unsere tradierten Vorstellungen von uns als Mensch, Gesellschaft und der Arbeitswelt in Frage stellen.

Ausdrücklich wird die „starke KI“, die darauf ausgelegt ist, Systeme zu schaffen, die intellektuell dem Menschen gleichwertig bzw. überlegen sind, von der Strategie ausgeschlossen. Betrachtet man Menschen im Alltag, ist zumindest festzustellen, dass sich Mensch und Maschine einander annähern. Ob dies daran liegt, dass Menschen von Maschinen zu einem maschinenhaften Verhalten erzogen werden, oder tatsächlich die Maschinen den Menschen immer ähnlicher werden, sei einmal dahin gestellt.

Die Handschrift der Wirtschaftslobby

Beim Lesen des Strategiepapiers entsteht der Eindruck, dass die Lobby der Wirtschaft versucht, die aufgrund gut laufender traditioneller Geschäfte verschlafenen Investitionen in Technik und Knowhow auf die öffentliche Hand zu übertragen ohne Gefahr zu laufen, sich selbst grundlegend verändern zu müssen.

Deshalb ist auch nicht verwunderlich, dass trotz der Wichtigkeit des gesellschaftlichen Dialogs, Maßnahmen zu diesem Thema nur sehr am Rande vorkommen und eher zur allgemeinen Beruhigung formuliert werden.

Die wirklich wichtigen Fragen, die, die sich erst bei der Annahme einer kommenden starken KI stellen oder bei einer nicht rein wirtschaftlichen Perspektive zur KI, möchte man anscheinend nicht sehr grundsätzlich anpacken, da die Herausforderungen philosophisch und juristisch wohl nur sehr schwer zu durchdenken sind.

Die Gesellschaft muss Verantwortung übernehmen

Als hoch entwickelte Gesellschaft, die aus den Lehren der eigenen Geschichte den Anspruch hat, die Würde als besonderen Kern der menschlichen Existenz als absolut unantastbar und schützenswert zu betrachten, werden wir unserer Aufgabe trotz dieser lobenswerten finanziell herausragenden Initiative, mit dieser Strategie nicht.

Lasst uns dafür sorgen, dass Maschinen den Menschen dienen und nicht aus Gründen der Praktikabilität und wirtschaftlicher Interessen Menschen eher zufällig Maschinen immer ähnlicher werden! Verschließen wir nicht die Augen davor, dass jene, die die technischen Fähigkeiten haben, an einer starken KI arbeiten. Das ist wirtschaftlich einfach zu reizvoll und bei Betrachtung immer noch exponentiell zunehmender Rechenleistung auch absehbar möglich.

Es stellt sich die Frage welchem kulturell geprägten Menschen diese starke KI dann ähnlich sein wird. Ist es ein Mensch, der sich seiner und der Würde des Anderen bewusst ist, oder ein Mensch, der sich zum eigenen Vorteil über andere hinwegsetzt. Einer der das Alter und seine Weisheit oder eher die Jugend und ihre Körperlichkeit höher bewertet. Einer der Kreativität oder eher Umsetzungskraft schätzt. Ein Mensch, der sich gut mit sich selber beschäftigen kann oder der sich permanent über einen anderen definieren muss?

Uns muss bewusst sein, dass eine wie auch immer geartete starke KI dem Menschen von der Rechenleistung in kürzester Zeit nicht irgendwie ähnlich, sondern um ein Vielfaches überlegen sein wird.

Kant und Code!

Sorgen wir dafür, dass dem Thema Mensch in der Künstlichen Intelligenz den ersten Stellenwert erhält und nutzen wir die Chancen der grundlegenden Betrachtung von Menschlichkeit, die sich unserer Gesellschaft in diesen Zeiten an der Schwelle zu neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ordnung bieten, denn: „Der wichtigste Durchbruch im 21. Jahrhundert kommt nicht durch die Technologie zustande, sondern durch ein erweiterndes Verständnis, was es bedeutet, Mensch zu sein.“ (John Naisbitt)

Die Initiative der Bundesregierung fußt darauf, dass sie erkannt hat, dass Europa bei dem Thema Digitalisierung weit hinter den USA, Indien und China hinterherhinkt. Dass das Bewusstsein für Digitalisierung in der deutschen Wirtschaft nicht vorhanden ist bzw. ein Art Verdrängung des drohenden Übels stattfindet, hofft man zu ändern, indem man selbst für Infrastrukturen sorgt, die dann schon hoffentlich genutzt werden. Es erinnert ein bisschen daran, dass man so schöne Autobahnen wie in den USA baut, aber die Unternehmen diese weiter lieber mit Kutschen befahren möchten. Deshalb werden sie wahrscheinlich nicht in Autos investieren, sondern um genug Tränken für ihre Pferde kämpfen.

In der intellektuellen Elite ist es darüber hinaus immer noch schick eher als technikfern zu gelten und geradezu damit zu prahlen, dass man keine Ahnung von Computern hat. Auch unser Schulsystem setzt sich mit der grundlegenden Analyse von Programmierung immer noch sehr wenig auseinander und lässt ein Klima des „entweder Kant oder Code“ entstehen. Es wird aber dringend die kreative Vermengung von beidem benötigt, um die menschlichen Errungenschaften zum Wohle aller nutzen zu können. Denn darin liegt die Chance der KI. Sie wird uns vieles abnehmen, das uns als lästig erscheint und das wohl tatsächlich auch lästig ist. Die Nutzung wird aber nur sinnvoll möglich sein, wenn wir es schaffen, Würde von Arbeit und Geld zu trennen und Abgrenzungen zwischen Menschen und Völkern zu überwinden. Wir Europäer haben in diesen Bereichen einen enormen Wissensvorsprung und – anders als in den USA, China und Indien – vor allem auch Institutionen, die darauf ausgerichtet sind, dass sich sehr unterschiedliche Kulturen und Menschen in einem gemeinsamen Wertesystem zugehörig fühlen können.

Komplexität braucht viele Teilhaber

Wenn es uns gelingt die komplexe Symbiose von KI, den Lehren der europäischen Annäherung und der humanistischen Philosophie herzustellen, dann werden wir zwar die anderen Staaten nicht in der Geschwindigkeit einholen (dafür ist der Zug ohnehin abgefahren), aber wir werden eine Form von KI schaffen können, die der gesamten Welt dienen kann und sich damit durchsetzen wird. Denn, wenn die Digitalisierung einen Erfahrungswert hat, dann dass Veränderung und Verdrängung durch eine überlegene Entwicklung weltweit in kürzester Zeit stattfinden kann.

Nehmen wir uns die Zeit und das Selbstbewußtsein für einen breiten und an Menschlichkeit orientierten Diskurs. Denn Komplexität lässt sich im digitalen Zeitalter nicht mehr durch technische Vorgaben, sondern nur durch möglichst viele Teilhaber lösen.




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